Über den Sinn oder Unsinn von erfolgsabhängiger Bezahlung hat Reinhard Sprenger in seinem Buch „Mythos Motivation“ eigentlich ausreichend philosophiert (http://www.sprenger.com).
Ungeachtet der dort geschilderten Tatsachen, wird das Instrument der erfolgsorientierten Bezahlung nach wie vor – und unserer Beobachtung nach vermehrt – als Allheilmittel zur Erreichung von Leistung angesehen. Es ist hoch aktuell, Mitarbeiter mit Leistungsanreizsystemen und leistungsorientierter Bezahlung zu ködern und zu „Mehr“ oder zu „Besserem“ zu veranlassen.
Aber zu was eigentlich?
- zu mehr Motivation? (Reicht die jetzige nicht aus?)
- zu mehr Leistung (Wird jetzt zu wenig geleistet?)
- zu mehr Leistungsorientierung? (Ist die nicht vorhanden?)
- zu einer neuen Arbeitshaltung? (Wie soll die denn sein? Wie ist die jetzige?)
- zu mehr Zufriedenheit? (Ist das plausibel? Sind alle unzufrieden? Womit?)
- zu besserer Leistung? (Ist die jetzige zu schlecht?)
- zu mehr Effizienz? (Ist das eine Frage von Bezahlung?)
- zu mehr Effektivität? (Ist das eine Frage von Bezahlung?)
Also: Wovon soll künftig mehr da sein? Was soll künftig „besser“ sein?
Oder: Soll tatsächlich „Mehr“ oder „Besseres“ von etwas da sein?
Ein Blick in jedwede Literatur zeigt, dass in diesem Punkt ausgewichen wird. Es gibt darauf kaum konkrete Antworten, schon gar keine schlüssigen Antworten.
Gleichzeitig wird bemerkt, dass es „eigentlich“ viel wichtigere Projekte gibt, die zum Thema Leistung gehören: Vertrauen, Handlungsspielräume, Partizipationsmöglichkeiten, Menschenbilder, Zielvereinbarungen, Personalführungsaspekte, Kommunikation. Alles wichtigere Themenfelder als die isoliert gestellte Frage nach zusätzlicher leistungsorientierter Bezahlung. Da fragt man sich doch: Warum wird denn trotzdem diesem ziemlich untergeordneten Punkt so viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die hoch aktuelle öffentliche Diskussion über die Legitimation und Notwendigkeit von Bonuszahlungen an Bankmanager tut ein Übriges, um diesem Thema zu einer zusätzlichen Brisanz zu verhelfen.
Unsere These ist: Es machen sich nach wie vor zu wenig Menschen in den Entscheider-Positionen ernsthaft Gedanken über das Thema, oder vielleicht nicht die richtigen Gedanken? Wir werden den Verdacht nicht los, dass es einer nur dem anderen „nachplappert“. Schließlich darf man bei einem so aktuellen Thema nicht abseits stehen, nicht zu den ewig Gestrigen gehören, man muss ja en vogue sein. Personalleute müssen sich ja rechtfertigen: Wieso gibt es im Konkurrenzunternehmen leistungsorientierte Bezahlung, aber im eigenen Unternehmen nicht? Wieso hat die Nachbargemeinde ein leistungsbezogenes Bezahlungssystem, die eigene Gemeinde aber nicht? Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
Was soll am Ende eigentlich damit erreicht werden? Dies ist der Punkt, der nicht offen beantwortet wird. Was heißt denn das ganz konkret: mehr Leistung, bessere Leistung, mehr Motivation, mehr Leistungsorientierung … ? Und: Wieviel mehr ist „mehr“? Wieviel besser ist „besser“? Darüber haben wir in Fachzeitschriften noch nichts Konkretes gelesen. Kein verantwortlicher Manager hat sich dazu konkret geäußert.
Auch wenn Tendenzen wie
- Rücknahme der Lohndrift (Abbau freiwilliger übertariflicher oder außertariflicher Vergütungsaspekte)
- Übertarifliche Marge insgesamt leistungsabhängiger zu gestalten
- Stärker individuell oder teambezogen nach Erfolg, Ertragsbeiträgen, Zielerreichungsgraden zu bezahlen
durchaus erkennbar sind, bleibt doch diese Frage nach wie vor offen: Was soll am Ende erreicht werden? Leistungsbezogene Bezahlung ist ja nun offensichtlich kein Selbstzweck – und auch kein Wert an sich. Vielleicht soll aber auch nur eine sonst – der Öffentlichkeit, den Inhabern, den Aktionären oder den Politikern – nicht vermittelbare Gehaltshöhe plausibel gemacht werden. Das erspart dann die individuelle Begründung.
Manchmal wird gesagt, es ginge um mehr Gerechtigkeit. Doch auch hierbei bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet, ja, häufig sogar ungestellt: Warum mehr Gerechtigkeit? Was ist „mehr“ Gerechtigkeit im Gehaltsgefüge? Und: Wieso ist Bonuszahlung gerechter? Gerechter als was? Und grundsätzlich: Ist Gerechtigkeit in diesem Kontext eine sinnvolle Kategorie?
Und es wird argumentiert, durch leistungsbezogene Bezahlung entstünde eine „leistungsorientierte“ Unternehmenskultur. Auch hier bleibt unbeantwortet: Was ist das eigentlich, eine leistungsorientierte Unternehmenskultur? Wodurch zeichnet die sich aus? Worin liegen die Vorteile? Und weiter: Woran wird denn festgemacht, dass eine leistungsorientierte Unternehmenskultur entstanden ist? Wie stellen wir das fest? Und wie stellen wir fest, dass wir jetzt keine solche leistungsorientierte Unternehmenskultur haben?
Ein weiterer Mythos: Mitarbeiter seien am Ende stolz darauf, „leistungsbewertet“ zu sein. Ist man dann ein besserer Mensch? Oder wird man dafür mit einem Orden ausgezeichnet? Uns ist jedenfalls keine wissenschaftliche Untersuchung bekannt, die auch nur ansatzweise so etwas belegen könnte (tatsächlich kennen wir nicht einmal eine unwissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema). Wenn überhaupt, dann gilt dies allenfalls im Nachhinein für den Sieger („The winner takes it all“ – so hat schon 1982 die schwedische Musikgruppe ABBA im gleichnamigen Lied philosophiert), aber nicht für die große Masse derjenigen, die sich Jahr für Jahr im großen Feld des Mittelmaßes wiederfinden und schon gar nicht für die Verlierer („… the loser has to fall…“ ebenfalls: ABBA im selben Lied). Aber diese Mittelmäßigen und Verlierer in diesem Spiel müssen dann – neidisch, mit versteinerter Miene – dem Sieger öffentlichen Beifall zollen und würden doch selber nur zu gerne auf der Bühne und auf dem Siegertreppchen stehen. Sie beachtet niemand. Ihnen widmet niemand Aufmerksamkeit. Als applaudierendes Publikum sind sie lediglich notwendige Statisten. Und das soll motivieren? Das soll zu besserer Leistung führen? Und darauf sollen Menschen stolz sein? Mitnichten!
Das ist ungefähr so unsinnig, wie immer wieder bei der Diskussion, ob traditionelle Schulnoten oder Berichtszeugnisse angemessener sind, behauptet wird, Schüler wollten Noten. Falsch! Schüler wollen „gute“ Noten, nur gute Noten. Wir kennen jedenfalls keine Schülerin und keinen Schüler, die schlechte Noten wollen.
Die zur Zeit vielfach diskutierten leistungsbezogenen Zulagen und Bonuszahlungen an Mitarbeiter und Manager von (Investitions-)Banken entlarven sich in ihrer Absurdität selbst. Nur scheint es vielen – auch vielen Politikern – noch nicht aufgefallen zu sein. Und die Grenze der Unsinnigkeit ist u.E. mit der Zahlung von Boni an Angestellte, nur damit diese das Unternehmen nicht verlassen, die also ohne jeglichen konkreten Bezug zu erbrachten Leistungen gezahlt werden, dann auch schon schamlos überschritten.
Auch hier gilt die immer wieder zu beobachtende Tendenz: An entscheidenden Stellen sitzen vermehrt Menschen, die von den Mechanismen, den Folgewirkungen und den Bedingungen erfolgs- und leistungsorientierter Bezahlung zu wenig wissen, nur lückenhafte Kenntnisse und ein zu laienhaftes Verständnis von diesen Dingen – und offensichtlich auch keine kompetenten Berater – haben.
Wir werden uns im Laufe dieser Reihe noch mit weiteren Merkmalen befassen.
Dazu mehr beim nächsten Mal. Freuen Sie sich auf die Fortsetzung!
Copyright: ©: Claus-Peter Manzel – 2010
Führung einfach gemacht: Kein Coaching, keine kontruktive Kritik, keine Worte, keine Erklärung, keine Führung. Dafür ein unwiderlegbarer Anreiz, der funktionieren müsste, der immer funktioniert (Geld) und einfach zu handhaben scheint, eine Prämie, ein Bonus. Wer dann nicht läuft, der will nicht, mit dem muss ich mich auch nicht mehr lange auseinandersetzen. Die letzten beiden der Rennliste werden gestrichen. Das macht dann das Personalwesen. Einfacher geht es nicht.