Leistungsorientierte Bezahlung – Teil 1: Sinn und Unsinn

Über den Sinn oder Unsinn von erfolgsabhängiger Bezahlung hat Reinhard Sprenger in seinem Buch „Mythos Motivation“ eigentlich ausreichend philosophiert (http://www.sprenger.com).

Ungeachtet der dort geschilderten Tatsachen, wird das Instrument der erfolgsorientierten Bezahlung nach wie vor – und unserer Beobachtung nach vermehrt – als Allheilmittel zur Erreichung von Leistung angesehen. Es ist hoch aktuell, Mitarbeiter mit Leistungsanreizsystemen und leistungsorientierter Bezahlung zu ködern und zu „Mehr“ oder zu „Besserem“ zu veranlassen.

Aber zu was eigentlich?

  • zu mehr Motivation? (Reicht die jetzige nicht aus?)
  • zu mehr Leistung (Wird jetzt zu wenig geleistet?)
  • zu mehr Leistungsorientierung? (Ist die nicht vorhanden?)
  • zu einer neuen Arbeitshaltung? (Wie soll die denn sein? Wie ist die jetzige?)
  • zu mehr Zufriedenheit? (Ist das plausibel? Sind alle unzufrieden? Womit?)
  • zu besserer Leistung? (Ist die jetzige zu schlecht?)
  • zu mehr Effizienz? (Ist das eine Frage von Bezahlung?)
  • zu mehr Effektivität? (Ist das eine Frage von Bezahlung?)

Also: Wovon soll künftig mehr da sein? Was soll künftig „besser“ sein?
Oder: Soll tatsächlich „Mehr“ oder „Besseres“ von etwas da sein?

Ein Blick in jedwede Literatur zeigt, dass in diesem Punkt ausgewichen wird. Es gibt darauf kaum konkrete Antworten, schon gar keine schlüssigen Antworten.

Gleichzeitig wird bemerkt, dass es „eigentlich“ viel wichtigere Projekte gibt, die zum Thema Leistung gehören: Vertrauen, Handlungsspielräume, Partizipationsmöglichkeiten, Menschenbilder, Zielvereinbarungen, Personalführungsaspekte, Kommunikation. Alles wichtigere Themenfelder als die isoliert gestellte Frage nach zusätzlicher leistungsorientierter Bezahlung. Da fragt man sich doch: Warum wird denn trotzdem diesem ziemlich untergeordneten Punkt so viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die hoch aktuelle öffentliche Diskussion über die Legitimation und Notwendigkeit von Bonuszahlungen an Bankmanager tut ein Übriges, um diesem Thema zu einer zusätzlichen Brisanz zu verhelfen.

Unsere These ist: Es machen sich nach wie vor zu wenig Menschen in den Entscheider-Positionen ernsthaft Gedanken über das Thema, oder vielleicht nicht die richtigen Gedanken? Wir werden den Verdacht nicht los, dass es einer nur dem anderen „nachplappert“. Schließlich darf man bei einem so aktuellen Thema nicht abseits stehen, nicht zu den ewig Gestrigen gehören, man muss ja en vogue sein. Personalleute müssen sich ja rechtfertigen: Wieso gibt es im Konkurrenzunternehmen leistungsorientierte Bezahlung, aber im eigenen Unternehmen nicht? Wieso hat die Nachbargemeinde ein leistungsbezogenes Bezahlungssystem, die eigene Gemeinde aber nicht? Die Beispiele ließen sich fortsetzen.

Was soll am Ende eigentlich damit erreicht werden? Dies ist der Punkt, der nicht offen beantwortet wird. Was heißt denn das ganz konkret: mehr Leistung, bessere Leistung, mehr Motivation, mehr Leistungsorientierung … ? Und: Wieviel mehr ist „mehr“? Wieviel besser ist „besser“? Darüber haben wir in Fachzeitschriften noch nichts Konkretes gelesen. Kein verantwortlicher Manager hat sich dazu konkret geäußert.

Auch wenn Tendenzen wie

  • Rücknahme der Lohndrift (Abbau freiwilliger übertariflicher oder außertariflicher Vergütungsaspekte)
  • Übertarifliche Marge insgesamt leistungsabhängiger zu gestalten
  • Stärker individuell oder teambezogen nach Erfolg, Ertragsbeiträgen, Zielerreichungsgraden zu bezahlen

durchaus erkennbar sind, bleibt doch diese Frage nach wie vor offen: Was soll am Ende erreicht werden? Leistungsbezogene Bezahlung ist ja nun offensichtlich kein Selbstzweck – und auch kein Wert an sich. Vielleicht soll aber auch nur eine sonst – der Öffentlichkeit, den Inhabern, den Aktionären oder den Politikern – nicht vermittelbare Gehaltshöhe plausibel gemacht werden. Das erspart dann die individuelle Begründung.

Manchmal wird gesagt, es ginge um mehr Gerechtigkeit. Doch auch hierbei bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet, ja, häufig sogar ungestellt: Warum mehr Gerechtigkeit? Was ist „mehr“ Gerechtigkeit im Gehaltsgefüge? Und: Wieso ist Bonuszahlung gerechter? Gerechter als was? Und grundsätzlich: Ist Gerechtigkeit in diesem Kontext eine sinnvolle Kategorie?

Und es wird argumentiert, durch leistungsbezogene Bezahlung entstünde eine „leistungsorientierte“ Unternehmenskultur. Auch hier bleibt unbeantwortet: Was ist das eigentlich, eine leistungsorientierte Unternehmenskultur? Wodurch zeichnet die sich aus? Worin liegen die Vorteile? Und weiter: Woran wird denn festgemacht, dass eine leistungsorientierte Unternehmenskultur entstanden ist? Wie stellen wir das fest? Und wie stellen wir fest, dass wir jetzt keine solche leistungsorientierte Unternehmenskultur haben?

Ein weiterer Mythos: Mitarbeiter seien am Ende stolz darauf, „leistungsbewertet“ zu sein. Ist man dann ein besserer Mensch? Oder wird man dafür mit einem Orden ausgezeichnet? Uns ist jedenfalls keine wissenschaftliche Untersuchung bekannt, die auch nur ansatzweise so etwas belegen könnte (tatsächlich kennen wir nicht einmal eine unwissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema). Wenn überhaupt, dann gilt dies allenfalls im Nachhinein für den Sieger („The winner takes it all“ – so hat schon 1982 die schwedische Musikgruppe ABBA im gleichnamigen Lied philosophiert), aber nicht für die große Masse derjenigen, die sich Jahr für Jahr im großen Feld des Mittelmaßes wiederfinden und schon gar nicht für die Verlierer („… the loser has to fall…“ ebenfalls: ABBA im selben Lied). Aber diese Mittelmäßigen und Verlierer in diesem Spiel müssen dann – neidisch, mit versteinerter Miene – dem Sieger öffentlichen Beifall zollen und würden doch selber nur zu gerne auf der Bühne und auf dem Siegertreppchen stehen. Sie beachtet niemand. Ihnen widmet niemand Aufmerksamkeit. Als applaudierendes Publikum sind sie lediglich notwendige Statisten. Und das soll motivieren? Das soll zu besserer Leistung führen? Und darauf sollen Menschen stolz sein? Mitnichten!

Das ist ungefähr so unsinnig, wie immer wieder bei der Diskussion, ob traditionelle Schulnoten oder Berichtszeugnisse angemessener sind, behauptet wird, Schüler wollten Noten. Falsch! Schüler wollen „gute“ Noten, nur gute Noten. Wir kennen jedenfalls keine Schülerin und keinen Schüler, die schlechte Noten wollen.

Die zur Zeit vielfach diskutierten leistungsbezogenen Zulagen und Bonuszahlungen an Mitarbeiter und Manager von (Investitions-)Banken entlarven sich in ihrer Absurdität selbst. Nur scheint es vielen – auch vielen Politikern – noch nicht aufgefallen zu sein. Und die Grenze der Unsinnigkeit ist u.E. mit der Zahlung von Boni an Angestellte, nur damit diese das Unternehmen nicht verlassen, die also ohne jeglichen konkreten Bezug zu erbrachten Leistungen gezahlt werden, dann auch schon schamlos überschritten.

Auch hier gilt die immer wieder zu beobachtende Tendenz: An entscheidenden Stellen sitzen vermehrt Menschen, die von den Mechanismen, den Folgewirkungen und den Bedingungen erfolgs- und leistungsorientierter Bezahlung zu wenig wissen, nur lückenhafte Kenntnisse und ein zu laienhaftes Verständnis von diesen Dingen – und offensichtlich auch keine kompetenten Berater – haben.

Wir werden uns im Laufe dieser Reihe noch mit weiteren Merkmalen befassen.

Dazu mehr beim nächsten Mal. Freuen Sie sich auf die Fortsetzung!

Copyright: ©: Claus-Peter Manzel – 2010

{ 4 comments… add one }

  • hansjörg 17. März 2010, 20:15

    Führung einfach gemacht: Kein Coaching, keine kontruktive Kritik, keine Worte, keine Erklärung, keine Führung. Dafür ein unwiderlegbarer Anreiz, der funktionieren müsste, der immer funktioniert (Geld) und einfach zu handhaben scheint, eine Prämie, ein Bonus. Wer dann nicht läuft, der will nicht, mit dem muss ich mich auch nicht mehr lange auseinandersetzen. Die letzten beiden der Rennliste werden gestrichen. Das macht dann das Personalwesen. Einfacher geht es nicht.

  • Dr. Heinz-Peter Kieser 13. Dezember 2011, 18:43

    Hier wird sehr undifferenziert ueber variable Verguetung schwadroniert.

    Moderne Verguetung hat heute ihre Bedeutung als Fuehrungs- und Steuerungsinstrument. Sie dient sekundaer der Motivation. In erster Linie soll der Mitarbeiter ueber seine Verguetung in wichtige Ziele seines Berantwortungsbereichs eingebunden werden. Ueber das Verguetungssystem verbindet man das Interesse, die Ziele auch zu erreichen.

    Die hier eingeschlagene Diskussion geht m.E. einen falschen Weg, da sie dem veralteten Gedanken folgt, variable Verguetung sei alleine zur Leistungsmotivation da. In Wirklichkeit dient sie heute der Unterstuetzung einer differenzierten Fuehrung.

    Ueber 90% aller Aussendienstmitarbeiter und ueber60% aller Bertriebsinnendienstmitarbeiter sind heute bariabel verguetet. Die Zahlen sprechen fuer sich. Ich denke nicht, dass diese Unternehmen alles falsch machen!

    Dr. HP Kieser
    http://www.ub-kieser.de

  • manzel 20. Dezember 2011, 23:25

    Stellungnahme zum Kommentar von H.-P-Kieser zum Artikel
    „Leistungsorientierte Bezahlung – Teil 1: Sinn und Unsinn

    Das ist ja genau das Dilemma: Die Befürworter solcher Art „leistungsorientierter Bezahlung“ setzen sich weder mit den sachlichen Argumenten der Kritiker inhaltlich auseinander noch nennen sie eigene überzeugende Argumente für ihre Auffassung.

    Das Muster ist simpel: Es werden (angeblich) bestehende Ist-Zustände behauptet. Und allein dies reicht aus, um die vermeintliche Sinnhaftigkeit und Modernität des Ist-Zustandes zu begründen und zu legitimieren. Alles andere diffamiert man dann schnell als „altes Denken“ . Weder führt die Einschätzung hier würde „undifferenziert schwadroniert“ in der Sache weiter, noch enthält die Kritik „… da sie dem veralteten Gedanken folgt …“ ein sachlich verwertbares Argument. Eine solche Diskussionsweise wird dem Thema nicht gerecht.

    Die Auffassung, bei leistungsorientierter Bezahlung handele es sich um ein „modernes“ Führungsinstrument, beschreibt bestenfalls einen zur Zeit bestehenden Ist-Zustand. Damit ist inhaltlich in der Sache nichts klarer geworden. „Modern“ oder „veraltet“ sind auch keine Maßstäbe an sich und auch keine Kriterien, um die inhaltliche Qualität von Aussagen zu bewerten. Jedenfalls so lange nicht, wie nicht deutlich wird, was denn eigentlich an inhaltlichen Botschaften hinter dem Begriff „modern“ steckt. Es geht doch um Fragen, wem und wozu dient denn ein solches Instrument, was soll damit erreicht werden – und wird es tatsächlich erreicht? Genau hier setzt meine Kritik auch in dem Artikel an.

    Insofern halte ich die Auffassung, bei leistungsorientierter Bezahlung handele es sich um ein „Führungsinstrument“ geradezu für kontraproduktiv. Es führt uns weit weg von der Wahrnehmung der Führungsverantwortung. Diese wird geradezu delegiert an ein zweifelhaftes Belohnungssystem. Leistungsorientierte Bezahlung in der kritisierten Form dient eben gerade nicht der „Unterstützung einer differenzierten Führung“. Im Gegenteil: Sie schafft sie ab. Dies ist m.E. ein echter Widerspruch, etwas als Führungsinstrument zu bezeichnen, durch das Führung geradezu ad absurdum geführt und ausgeschaltet wird.

    Um Mitarbeiter in betriebliche Verantwortungsbereiche und in wichtige Ziele einzubinden – ein Ansatz, den ich im übrigen ausdrücklich begrüße – bedarf es eben nicht unbedingt einer leistungsorientierten Bezahlung. Dazu sind ganz andere und wirksamere Maßnahmen erforderlich, wie z.B. tatsächliche Handlungsspielräume zulassen und nicht einengen, Demotivierung vermeiden, interessante und herausfordernde Aufgaben definieren und Arbeitsplätze entsprechend zuschneiden, Wertschätzungen und vor allem erst einmal Wahrnehmung von Arbeitnehmern und deren Leistungen sicherstellen, Führen verletzungsfreier Feedbackgespräche. Wenn das Interesse, Ziele auch zu tatsächlich erreichen, nur durch leistungsorientierte (Zusatz-)Bezahlung erreicht werden kann, dann ist das Risiko, dass falsche Anreize gesetzt und die Energien in falsche Richtungen gelenkt werden ausgesprochen hoch. Dafür gibt es reichlich Beispiele.

    Dass dennoch ggf. 90 % der Außendienstmitarbeiter variabel vergütet werden, taugt alleine noch nicht als sachlich überzeugendes Argument. Wir haben uns offenbar an den Zustand, zusätzliche Leistungsanreize offeriert zu bekommen und inzwischen auch als unabdingbar selbst einzufordern, so sehr gewöhnt, dass uns die Absurdität und Dysfunktionalität dieses Instrumentes schon gar nicht mehr auffällt. Der „gesunde Menschenverstand“ hat kapituliert und sich verabschiedet.

    Genau hier möchte ich dazu beitragen, dass uns diese Unsinnigkeit wieder auffällt (jedenfalls einigen von den Leserinnen und Lesern). Wir leben offenbar in einer Zeit, in der viele meinen, für alles und jedes einen zusätzlich monetären Anreiz erhalten zu müssen. Hier machen wir uns zum Gespött und zum Sklaven falscher Anreize. Hier geben wir unsere Selbstverantwortung ab und geben anderen Menschen (und noch schlimmer: leblosen Systemen) freiwillig und überflüssigerweise Macht über uns. Eine ungesunde Entwicklung. Ich möchte jedenfalls solche Mitarbeiter nicht in meinem Unternehmen beschäftigen, die nur noch dann bereit sind, Spitzenleistungen zu erbringen, wenn sie dafür zusätzlich in Form von Prämien etc. „belohnt“ werden. Wir wären sonst umgeben von einer Schar belohnungssüchtiger Mitarbeiter. Hier müssen wir m.E. eine Umkehr im Denken (und natürlich auch im Handeln) erreichen.

    PS.: In der Tat bin ich davon überzeugt, dass die Unternehmen natürlich nicht alles falsch machen. Andererseits bin ist genauso fest davon überzeugt, dass sie bei diesem Thema – aus meiner Wahrnehmung leider viel zu häufig – unvorteilhaft beraten werden und tatsächlich vieles besser machen könnten. Auch wenn es im Kern nicht wirklich um „richtig oder falsch“, um „modern oder veraltet“, sondern vielmehr um die Vorteilhaftigkeit für Mitarbeiter und Unternehmen und um das Tragen von Konsequenzen geht. Aber das ist ein neues Thema.

    Claus-Peter Manzel – 12/2011

  • Dr. Heinz-Peter Kieser 10. Januar 2012, 10:25

    Hallo Herr Manzel,

    sorry, dass ich erst heute antworten kann.
    Ihre Überlegungen haben Hand und Fuß und erhalten durchaus meine Anerkennung. Sie werden verstehen, dass ich eine etwas andere Position beziehe.
    Zu diesem Thema habe ich vor einiger Zeit einen Artikel geschrieben, der sich exakt mit den hier angeschnittenen Thematiken auseinandersetzt.
    Ich erlaube mir, diesen Artikel hier einmal einzustellen, weil ich denke, dass er substantiell zum Thema beiträgt:

    Leistungsorientierte Vergütung oder Fixvergütung?

    Die Bedeutung der leistungsorientierten Vergütung für Motivation und Ergebnisse der Mitarbeiter im Verkauf wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Über 90% der deutschen Außendienstmitarbeiter und über 60% der Verkaufs-Innendienstmitarbeiter sind aber variabel vergütet. Dabei steigt die Zahl der Mitarbeiter beständig, die in leistungsorientierte Vergütung einbezogen werden. Haben diese Unternehmen alle Unrecht? Sollte einer Fixvergütung der Vorzug gegeben werden?

    INTRINSISCHE VERSUS EXTRINSISCHE MOTIVATION

    Der Disput hat seine Wurzeln in der Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Zwischen beiden Ansätzen wird seitens verschiedener Autoren gewissermaßen ein Wettbewerbsverhältnis konstruiert. Intrinsisch motivierte Mitarbeiter gelten in der Motivationspsychologie als Prototyp des selbstbestimmten Menschen. Das Handeln stimmt mit der eigenen Haltung überein, die Freude an der Tätigkeit ist der ausschlaggebende Faktor. Es besteht eine Einheit zwischen innerer Überzeugung des Mitarbeiters und seinem Tun.

    Extrinsische Motivation beruht dagegen auf äußeren Anreizen, wie leistungsorientierter Vergütung, Incentives, Beförderungen etc.

    Der bereits zitierte Gegensatz, der nun zwischen beiden Motivationssträngen konstruiert wird, geht offenbar von der Annahme aus, dass die Inhalte beider Motivationsstränge zumindest teilweise konträr sind und sich im Wege stehen bzw. stehen könnten.

    Reinhard K. Sprenger vertritt die Auffassung, dass leistungsorientierte Vergütung der Karotte gleichen, die das Pferd von seinem Reiter vorgehalten bekommt. Die Prämie sei gewissermaßen ein „Misstrauensabschlag“, der als Ausdruck eines Verdachts gegenüber dem Mitarbeiter gilt, dass dieser ansonsten nicht voll leisten würde (vgl. Sprenger, Mythos Motivation, 2010). Sprenger spricht sich tendenziell für eine Fixvergütung der Mitarbeiter aus.

    Bruno Frey ist sogar der Auffassung, dass intrinsische Motivation durch extrinsische Motivatoren (wie Leistungsprämien) untergraben werden könne (Bruno Frey, Not just for money, 1997). Die Belohnung verdränge den Sinn der eigenen Tätigkeit.

    In diesem Zusammenhang wird zurecht kritisiert, dass schlecht gemachte Systeme der leistungsorientierten Vergütung mitunter den Eindruck erwecken, als Ersatz für Führung herhalten zu sollen. Wenn Leistungsanreize die Führungskräfte gewissermaßen von ihrer ureigensten Führungsaufgabe entbinden, dann kann dies natürlich nur in einer „Führungskatastrophe“ enden.

    LEISTUNGSORIENTIERTE VERGÜTUNG ALS ELEMENT DER FÜHRUNG UND STEUERUNG

    Als Vergütungsexperte mit der Erfahrung aus ca. 800 Umstellungen von Unternehmen auf leistungsorientierte Vergütung kann ich den konstruierten Gegensatz bzgl. intrinsischer versus extrinsischer Motivation aus der Praxis heraus nicht nachvollziehen. Gut gemachte Konzepte der leistungsorientierten Vergütung sind als Führungs- und Steuerungsinstrumente konzipiert, sind zielorientiert und verstehen sich als Verstärker der Ziele, die die Mitarbeiter verinnerlicht haben. Reinhard K. Sprenger ist insofern zu danken, als er auf die Aspekte hingewiesen hat, derentwegen intrinsische Motivation in Gefahr geraten kann.

    Die Rolle der Mitarbeiter hat sich in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert: Unternehmen wollen selbstständige Mitarbeiter, die eigenverantwortlich handeln und flexibel bzw. konstruktiv an Lösungen arbeiten. Schlecht gemachte Vergütungssysteme engen ein, wollen gängeln. Gut gemachte Vergütungssysteme lassen Spielräume für Eigenverantwortung: Ziele gelten als vereinbart und weisen Richtungen, der Weg zum Ziel ist Sache des Mitarbeiters. Gut gemachte leistungsorientierte Vergütung führt so zu einer Verbindung von intrinsischer und extrinsischer Motivation, gibt Freiheiten und verstärkt wechselseitig.

    KÖNNEN FÜHRUNGSKRÄFTE MOTIVIEREN?

    Motivationspsychologen vertreten heute nicht selten die Meinung, dass ein aktives Motivieren von Mitarbeitern nicht funktioniere. Die Führungskraft könne lediglich für ein positives, d.h. motivationsförderliches Klima sorgen. Die Motivation sei letztlich Sache des Mitarbeiters, seines Werdegangs, seiner Sozialisierung etc.

    Dies deckt sich allerdings überhaupt nicht mit den Erfahrungen, die ich in 20 Jahren als Berater gewinnen konnte. Für Führungskräfte ist diese passive Position allerdings sehr bequem, weil sie dadurch teilweise von ihrer Führungsaufgabe entbunden werden.

    Der Motivationsexperte Jörg Zeyringer (Der neue Treppenläufer – Wie man sich und andere motiviert, 2010) verweist auf einen zentralen Satz des Psychologen Paul Watzlawick (Anleitung zum Unglücklich sein, 1993), nach dem sich kein Mensch „nicht verhalten“ kann. Das Verhalten des einen löst emotionale Reaktionen des anderen aus. Führungskräfte müssen die Wirkungen ihres Verhaltens also sehr genau in Bezug auf Motivation/Demotivation kontrollieren und wirkungsvolle Anreize setzen. Hierzu zählt auch leistungsorientierte Vergütung.

    DER TRUGSCHLUSS, DASS GELDANREIZE NICHT ZU BESSEREN ERGEBNISSEN FÜHREN

    Als Vergütungsberater mache ich sehr häufig die Erfahrung, dass Führungskräfte die stimulierende Wirkung von pekuniären Anreizen in Frage stellen, während die betroffenen Mitarbeiter bei der Frage, was sie motiviere, sehr direkt auf das Thema Geld zu sprechen kommen. Gerade bei Außendienstmitarbeitern, die aufgrund ihrer relativ eigenständigen Arbeit eher eine geringere soziale und emotionale Anbindung ans Unternehmen besitzen, spielt erfahrungsgemäß Geld als Motivator und Stimulanzfaktor eine herausragende Rolle. Hierzu Jörg Zeyringer:

    Die Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Untersuchung, an der rund 1.000 Menschen aus verschiedenen Branchen und unterschiedlichen hierarchischen Ebenen teilnahmen, konnten meine Thesen (bzgl. der starken Wirkung von Geld als Motivator – der Autor) nicht widerlegen. Im Gegenteil, es gab weitere Befunde, die dafür sprachen.

    Die Befragten wurden gebeten, aus einer Liste von 17 Faktoren jeweils jene 3 mit dem größten Einfluss auf eine Steigerung der Arbeitsmotivation auszuwählen. Als mit Abstand wichtigster Faktor stellte sich Geld heraus. ‚Ein Gehalt, das meiner Leistung und meiner Arbeitssituation entspricht’ wurde sowohl als erster, als auch als zweiter und dritter Faktor jeweils am häufigsten genannt.“

    Der amerikanische Psychologe Ed Diener verweist darüber hinaus auf den engen Zusammenhang zwischen Geld und persönlichem Glück. Die Annahme, dass Geld nicht glücklich mache, muss zumindest teilweise revidiert werden!

    WAS GUT GEMACHTE SYSTEME DER LEISTUNGSORIENTIERTEN VERGÜTUNG BEWIRKEN

    Das Vorhandensein von Zielen gilt heute unbestritten als Voraussetzung, überhaupt Motivation entstehen zu lassen. Ziele geben dem eigenen Handeln eine Richtung, unterscheiden Wichtiges von Unwichtigem und lenken die Kraft auf die definierten Prioritäten. Nicht umsonst sind Unternehmen, die ihre Mitarbeiter zielorientiert führen und vergüten, erfolgreicher als andere.

    Gut gemachte leistungsorientierte Vergütung ist also zielorientiert, bezieht möglichst viele Mitarbeiter des Unternehmens in die leistungsorientierte Vergütung ein und macht an den persönlichen Ergebnissen des Mitarbeiters fest. Gut gemachte leistungsorientierte Vergütung führt so zu leistungsgerechteren Einkommen, indem sich der engagierte, erfolgreiche Mitarbeiter auch in seinem Einkommen vom schwachen und erfolglosen Mitarbeiter differenziert. Eine reine Fixvergütung tut sich da schwer: Wer individuelle Leistungsprämien ausschließt, muss an erfolgreiche Mitarbeiter höhere Gehälter zahlen, auch auf die Gefahr hin, nur momentane „Strohfeuer“ zu entfachen und die Leistung nicht dauerhaft „oben“ zu halten.

    Was gut gemachte Vergütungssysteme der leistungsorientierten Vergütung nicht wollen: eine „Gießkannenlösung“, bei der alle Mitarbeiter pauschal am Erfolg des Unternehmens beteiligt werden. So schlägt R.K. Sprenger vor (Interview im Manager Seminar, Dezember 2010), ein Drittel des Mitarbeitereinkommens an den Unternehmenserfolg anzubinden. Ganz abgesehen davon, dass Arbeitsgerichte den maximalen variablen Einkommensanteil eines Mitarbeiters zwischen 25% und 30% sehen, läuft dieser Vorschlag ins Leere: Wer Mitarbeiterverhalten beeinflussen will, muss an der individuellen Leistung festmachen. Außerdem widerspricht dieser kollektive Vergütungsansatz im Grunde unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, welches gerade auf der individuellen Leistung aufbaut und individuelle Einkommen in Abhängigkeit von der Leistung und Kompetenz des Einzelnen vorsieht. Außerdem läuft (wie bereits erwähnt) die Unternehmensrealität in die genau entgegengesetzte Richtung, indem immer mehr Unternehmen immer mehr Mitarbeiter in immer mehr Unternehmensbereichen in eine betont individuelle und leistungsorientierte Vergütung einbinden. Statistisch gesehen befindet sich die Fixvergütung auf dem Rückzug, und zwar in sämtlichen Unternehmensbereichen.

    Dr. Heinz-Peter Kieser

    Dr. Finkenrath, Dr. Kieser + Partner
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    http://www.ub-kieser.de

    Dr. Heinz-Peter Kieser
    ist seit 1989 selbstständiger Unternehmensberater und seit 1990 Inhaber des Beratungsunternehmens Dr. Finkenrath, Dr. Kieser + Partner. Zuvor war er 17 Jahre in leitenden Positionen in der deutschen Wirtschaft mit Schwerpunkt Vertrieb tätig, zuletzt als Geschäftsführer eines Unternehmens der Konsumgüterbranche. Die Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit liegen in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Controlling. Spezielles Aufgabengebiet ist die Einführung von leistungsorientierten Vergütungskonzepten im Vertriebs-Außendienst und -Innendienst sowie in weiteren Unternehmensbereichen. Insgesamt wurden 800 Unternehmen auf neue Vergütungssysteme umstellt. In den vergangenen Jahren ist Dr. Kieser in der betriebswirtschaftlichen Fachpresse durch Publikationen und Interviews hervorgetreten. Er ist Autor des Buchs „Moderne Vergütung im Verkauf“ (Verlag Wissenschaft & Praxis, 3. Auflage 2008).

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